Die Wachsfigur

Julius Caesar wurde am 15. März 44 v. Chr. ermordet. Seine Beerdigung fand einige Tage später statt. Appian berichtet darüber in seinem Buch über die Bürgerkrieg:

Die Bestattungszeremonie: Nach Caesars Ermordung wurde sein Körper von seinem Schwiegervater Piso ins Forum gebracht. Eine große Anzahl bewaffneter Männer versammelte sich, um den Körper zu bewachen.

Der Körper wurde mit prunkvollem Pomp und Trauerbekundungen auf der Rostra (einer Plattform im Forum) niedergelegt. Mark Antonius, als Konsul und Caesars Kollege, war damit beauftragt, die Grabrede zu halten.

Mark Antonius’ berühmte Rede: Antonius betonte, dass es nicht richtig sei, wenn nur er allein die Lobrede für einen so großen Mann halte. Er glaubte, es sollte eine gemeinsame Anstrengung sein, die das ganze Land repräsentiert. Er las die Ehren vor, die der Senat und das Volk Caesar zu Lebzeiten zugesprochen hatten. Dazu gehörten Titel wie “sakrosankt”, “unverletzlich”, “Vater des Vaterlandes”, “Wohltäter” und “Führer”. Wo das Dekret sagte “Vater des Vaterlandes”, kommentierte er “Dies ist ein Beweis für seine Barmherzigkeit”. Antonius verglich jeden Titel mit Caesars Taten und betonte die Heiligkeit und Bedeutung dieser Titel. Die Emotionen der Menschenmenge waren intensiv, und sie waren nahe an der Gewaltbereitschaft.

Während sie sich in dieser Stimmung befanden und bereits kurz vor der Gewalttätigkeit standen, erhob jemand über der Bahre ein Bildnis Cæsars aus Wachs. Der Körper selbst, der auf dem Rücken auf der Totenliege lag, war nicht zu sehen. Das Wachsfigur wurde von einer mechanischen Vorrichtung gedreht und gewendet, so dass die dreiundzwanzig Wunden an allen Körperteilen und im Gesicht sichtbar wurden, die ihm ein schockierendes Aussehen verliehen. Das Volk konnte den erbärmlichen Anblick, der sich ihm bot, nicht länger ertragen. Es stöhnte auf, rüstete sich, verbrannte den Senatssaal, in dem Cæsar erschlagen worden war, und suchte nach den Mördern, die einige Zeit zuvor geflohen waren. Sie waren so wahnsinnig vor Wut und Trauer, dass sie wie wilde Tiere den Tribun Cinna wegen seiner Namensähnlichkeit mit dem Prätor Cinna, der eine Rede gegen Cæsar gehalten hatte, in Stücke rissen, ohne eine Erklärung über die Namensähnlichkeit abzuwarten, so dass kein Teil von ihm je zur Bestattung gefunden wurde. Sie trugen das Feuer zu den Häusern der anderen Mörder, aber die Hausbewohner wehrten sie tapfer ab und die Nachbarn flehten sie an, es zu lassen. So verzichteten die Leute auf den Einsatz von Feuer, drohten aber, am nächsten Tag mit Waffen zurückzukommen.

aus Appians “Bürgerkriege” [2.147]

Dies war der Wendepunkt:

Die römische Bevölkerung war sehr wütend auf Caesars Mörder. Sie verbrannten die Häuser der Verschwörer und zwangen sie zur Flucht aus der Stadt, die sie befreien wollten. Caesar wurde mitten auf dem Forum verbrannt, und an der Stelle seines Scheiterhaufens wurde ein Tempel errichtet. Ihm wurden sogar Opfergaben als Gott dargebracht.

Das Tropaion

Um die Wirkung dieser Wachsfigur zu verstehen, muss man das kreuzförmige Tropaion näher betrachten. Caesar zeigte eines auf einer Münze:

Das Tropaion ist ein Siegeszeichen, das an der Stelle aufgestellt wurde, an der die Feinde in die Flucht geschlagen wurden – am Wendepunkt, als man die Verfolgung aufnahm und ihnen nachsetzte. Es ist ein Symbol der Macht und des Triumphs, das die Überlegenheit des Siegers über den Besiegten darstellt.

Das Tropaion wurde ebenso aufgestellt, wie Caesars Wachsfigur auf der Holzkonstruktion. Hier eine Gemme des Augustus:

Ein weiteres Kreuz als bis heute überlebendes Symbol und allgegenwärtig ist das Arma-Christi-Kreuz, das die Leidenswerkzeuge bei der Kreuzigung Christi darstellt. Ursprünglich dienten diese Werkzeuge als Zeichen von Christi Königtum und seinem Triumph über den Tod. Wie auf Caesars Münze befinden sich zwei Personen rechts und links vom Kreuz.

In diesem Sinne kann die Wachsfigur von Caesar als eine Art “lebendiges” Tropaion gesehen werden, das seine Siege und Errungenschaften darstellt. Gleichzeitig erinnert sie, wie das Arma-Christi-Kreuz, an sein Leiden und Opfer – in diesem Fall sein Opfer für das römische Volk und den Staat.

So gesehen, verbinden diese drei Symbole – das Arma-Christi-Kreuz, das Tropaion und die Wachsfigur von Caesar – die Themen von Leiden, Opfer, Macht und Triumph auf eine tiefgründige und symbolische Weise.

Man bedenke Antonius Worte: “Dies ist ein Beweis für seine Barmherzigkeit”. Er stellte ihn als Retter dar, der seinen Feinden vergeben hatte – und wie hatten sie es ihm gedankt?

Antonius lobte Caesar als eine himmlische Gottheit, erhob seine Hände als Zeugnis von Caesars göttlicher Geburt und rezitierte gleichzeitig schnell seine Feldzüge, Schlachten und Siege, die Völker, die er unter die Herrschaft seines Landes gebracht hatte, und die Beute, die er nach Hause geschickt hatte. Er stellte jedes als ein Wunder dar und rief ständig: “Dieser Mann allein ging siegreich aus all denen hervor, die mit ihm gekämpft haben.”

Und nun hing er selbst am kreuzförmigen Tropaion.

In der katholischen Kirche gibt es für die Karfreitagsliturgie bewegliche Holzfiguren, welche dann wie Caesars Wachsfigur auf ein Kreuz montiert und aufgerichtet werden.

Hier bekommt man eine Vorstellung davon, wie Antonius die Schwierigkeit löste, dass man die Wachsfigur auf der Rostra am Boden liegend nicht hätte sehen können.