Die Wachsfigur

Bei der Trauerfeier für Caesar war Markus Antonius für die Gestaltung zuständig. Seine Frau Fulvia hatte aber großen Einfluss darauf, wie man mit mehr Hintergrundwissen belegen kann. Fulvias Name wurde durch spätere Redaktion weitgehend getilgt, da sie gegen Octavian, später Augustus genannt und Sieger, Krieg geführt hatte.

Fulvia hatte schon einmal eine Trauerfeier ungewöhnlich „gestaltet“. Ihr damaliger Gemahl Clodius war von dessen politischen Gegner Milo, welcher sich damals um das Konsulat bewarb bei einer Straßenschlacht brutal ermordet worden. Sie war maßgeblich daran beteiligt, eine starke Reaktion der Bevölkerung hervorzurufen, indem sie öffentlich weinte und den blutigen Körper mit allen zugefügten Wunden auf der Rostra, der berühmten Rednerbühne auf dem Forum Romanum, zur Schau stellte. Diese Darstellung von Clodius’ ungewaschenen Wunden setzte einen Präzedenzfall für die Darstellung von Caesars Körper später.

Fulvia half, Milo zur Rechenschaft zu ziehen, der für den Mord verantwortlich war. Sie war eine ehrgeizige römische Aristokratin, die sich in politischen und militärischen Aktivitäten engagierte, die normalerweise ausschließlich römischen Männern vorbehalten waren. Sie begleitete ihre Ehemänner überall hin, sogar in ihre Armeelager.

Fulvia war nicht nur eine aktive Teilnehmerin an diesen Rivalitäten, sie führte auch Truppen in einer militärischen Belagerung gegen Oktavian im Perusinischen Krieg von 41–40 v. Chr. Sie war die erste römische nicht-mythologische Frau, die auf römischen Münzen erschien – Caesar war der erste Mann, der zu Lebzeiten auf Münzen erschien.

Gemäß dem Bericht des Asconius hatte Fulvia, die Leiche des Clodius in einem erschütternden Zustand auf die Totenbahre legen lassen. Sie ließ alle seine Wunden offen und sichtbar. Sein Körper, nackt und ungewaschen – ein “corpus nudum ac calcatum” – wurde dann so zum Forum gebracht und auf die Rednerbühne gestellt.

Asc. Mil. 35.21:

tribuni plebis accurrerunt: eisque hortantibus vulgus
imperitum corpus nudum ac calcatum, sicut in lecto erat positum, ut vulnera videri possent in forum
detulit et in rostris posuit.

(Die Volkstribunen eilten herbei: Unter ihrer Anstiftung trug das unerfahrene Volk den nackten und zertretenen Körper, so wie er auf dem Bett lag, damit die Wunden gesehen werden konnten, auf das Forum und legten ihn auf die Rednerbühne.)

Ascanius berichtet weiter, dass die Menge anschließend den Leichnam von ins Senatsgebäude brachte. Dort verbrannten sie ihn mithilfe der Sitzbänke, Richtertische, Tische und Schreibmaterialien. Dieses Feuer verursachte nicht nur den Brand des Senatsgebäudes, sondern auch der angrenzenden Porcia-Basilika. Beide Gebäude wurden durch das Feuer zerstört.

Es gab einen Unterschied zwischen Clodius und Caesar. Fulvia stellte den verwundeten Körper von Clodius direkt zur Schau. Bei Caesar wurde jedoch eine wächserne Abbildung gezeigt, auf der seine Wunden dargestellt waren. Dies könnte daran liegen, dass Fulvias nächster Ehemann, Curio, nach Clodius im Dienste Caesars im Afrika-Krieg starb. Für Curio konnte sie in Rom nur eine symbolische Beerdigung veranstalten, bei der anstelle der fehlenden Leiche eine lebensgroße Wachsfigur gezeigt wurde.

Bei Caesars Beerdigung konnte man eine Kombination beider Rituale beobachten. Während Caesars Leiche auf der Totenbahre lag, wurde eine lebensechte Wachsfigur von Caesar selbst emporgehoben. Mit einer Vorrichtung konnte die Wachsfigur gedreht werden, um die dreiundzwanzig grausamen Wunden am ganzen Körper und im Gesicht zu zeigen.

Dieser traurige Anblick war für das Volk unerträglich. Sie wurden wütend, jagten die Mörder und verwüsteten die Kurie, wo Caesar ermordet worden war. Caesars Leiche wurde auf dem Forum selbst verbrannt. Die Menschen rannten mit brennenden Scheiten zu den Häusern der Verschwörer, um dort Feuer zu legen. Sie wurden jedoch durch die Bitten der verängstigten Nachbarn abgeschreckt, die um ihre eigenen Häuser fürchteten. Es scheint, dass die Erinnerung an die Beisetzung des Clodius, bei der auch die Kurie gebrannt hatte, noch nachwirkte.

Fulvias Rolle ist klar erkennbar. Der Hauptunterschied zur früheren Beerdigung von Clodius besteht darin, dass damals dem Volk die echte Leiche gezeigt wurde, während es bei Caesar eine lebensechte Abbildung gezeigt war, auf der die blutigen Wunden realistisch nachgebildet wurden. Die Figur war beweglich und konnte aufgerichtet werden und durch eine Drehvorrichtung von allen Seiten gezeigt werden. Diese Vorrichtung konnte am Fuß eines Idols oder einer Statue des Dionysos angebracht sein, wo Caesars blutbeflecktes Gewand hing. Da alle Wunden gezeigt werden sollten, einschließlich der tödlichen an der Seite, wurde eine Puppe verwendet, wie sie die Römer bei Beerdigungen kannten. Sie wurde am Tropaeum mit ausgestreckten Armen befestigt, damit man auch die Wunden an den Seiten sehen konnte, die sonst von den herabhängenden Armen verdeckt worden wären.